Herzlich willkommen. Heute tauchen wir tief ein in einige Papiere, die eine ziemlich aufrüttelnde Idee in den Raum werfen. Was wäre, wenn sich Gewerkschaften, Kirchen und zivilgesellschaftliche Bewegungen zusammentun? Nicht nur für so ein bisschen Wandel, sondern für eine wirklich grundlegende sozial-ökologische Erneuerung. Ja, und es geht ja noch weiter. Genau, mehr noch. Die Quellen, die Sie uns geschickt haben, das sind ja Manifeste, Grundsatzpapiere, die sprechen sogar davon, dass diese Allianz eine Art, Zitat, vierte Gewalt in unserer Demokratie werden könnte. Das ist schon eine Ansage, ja. Eine starke Ansage, finde ich auch. Okay, schauen wir da mal genauer rein. Was ist so der rote Faden in dieser Argumentation? Es fängt, na ja, wie so oft, mit einer Krisendiagnose an. Stimmt. Die Papiere zeichnen das Bild einer tiefgreifenden Polykrise, also ein ganzes Knäuel von Problemen, die irgendwie zusammenhängen. Ökologisch klar, Klimawandel, Artensterben, sozial wachsende Ungleichheit. Und politisch, ja, so ein spürbarer Vertrauensverlust in die etablierten Institutionen. Ja, das beschreiben Sie sehr deutlich. Und die Autoren machen dafür eine Hauptursache aus. Ein Wirtschaftssystem, das auf ständigem Wachstum fußt und das dazu neigt, die Kosten, also die ökologischen Schäden, die sozialen Folgen, einfach auf uns alle oder auf die Zukunft abzuwälzen. Dieses Externalisieren, genau. Das ist ein ganz entscheidender Punkt in den Quellen. Sie nehmen sich die klassischen Produktionsfaktoren noch mal vor. Arbeit, also der Mensch, Boden als Bild für die Natur und eben das Kapital. Und die Dokumente beschreiben da einen fundamentalen Widerspruch. Sie sagen im Grunde, Kapitalinteressen werden systematisch über die Bedürfnisse von Mensch und Umwelt gestellt. Verstehe. Und genau deshalb, das ist die Schlussfolgerung, dort müssen gerade die Gewerkschaften ihren Blickwinkel radikal erweitern. Also weg von dieser alleinigen Fokussierung auf den Arbeitnehmer, die Arbeitnehmerin im Betrieb, hin zu einer ganzheitlichen Sicht. Der Mensch in all seinen Bezügen, als Teil der Gesellschaft, als Teil der Natur und eben die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen. Das muss ins Zentrum. Das klingt nach einer wirklich fundamentalen Neuausrichtung, gerade für so traditionelle Organisationen wie Gewerkschaften. Warum sehen die Autoren das denn so dringend? Was passiert, wenn dieser Wandel ausbleibt? Tja, da malen die Papiere ein ziemlich düsteres Bild, muss man sagen. Sie warnen vor allem die Gewerkschaften vor einem massiven Bedeutungsverlust. Also die üblichen Stichworte, Mitgliederschwund. Genau, Mitgliederschwund, sinkende Tarifbindung, weniger Einfluss, das Übliche. Aber eben auch mehr. Es besteht die Sorge, dass der technologische Wandel, denken Sie an Digitalisierung, KI, komplett von unternehmerischen Profitinteressen dominiert wird. Okay. Die befürchtete Folge, eine Entmenschlichung der Arbeit, wo menschliche Fähigkeiten, Bedürfnisse an den Rand gedrängt werden. Und eine weitere Verschärfung der sozialen Ungleichheit. Die Quellen sagen es ziemlich drastisch. Man droht den notwendigen Strukturwandel schlicht zu verschlafen und damit auch die Gestaltungsmacht zu verlieren. Das ist ein starkes Argument dafür, dass Nichtstun irgendwie keine Option ist. Und das führt uns dann zu dieser ja wirklich provokanten Idee, die da entworfen wird, die einer vierten Gewalt. Normalerweise denkt man da ja an die Presse, die Medien. Was genau meinen die Autoren hier? Es ist die Vision eines neuen, kraftvollen, zivilgesellschaftlichen Gegengewichts. Also zur etablierten politischen und wirtschaftlichen Macht. Die Analyse in den Quellen geht halt davon aus, dass staatliche Institutionen oft durch Lobbyismus geschwächt sind und konzentrierte Wirtschaftsinteressen einen übermäßigen Einfluss haben. Und diese Allianz aus Gewerkschaften, Kirchen, sozialen Bewegungen soll hier als moralisches und, wichtig, auch praktisches Korrektiv wirken. Ein Korrektiv, okay. Ihr gemeinsames Fundament, so die Argumentation, ist die Verantwortung für das Gemeinwohl, für soziale Gerechtigkeit und für ökologische Nachhaltigkeit. Sie sollen eben nicht nur reagieren oder bremsen, sondern den Wandel aktiv gestalten, ihm eine Richtung geben. D.h. also, diese Akteure sollen sich von reinen Interessenvertretern, die ja primär für ihre Klientel kämpfen, zu Mitgestaltern einer anderen Gesellschaftsordnung wandeln. Einer Gemeinwohlökonomie, wie es da heißt. Genau das, ja, das ist der Kern. Der Versuch, proaktiv eine Alternative zu fördern, statt immer nur auf die nächste Krise zu reagieren. Gemeinwohlökonomie heißt hier, laut den Quellen, eine Wirtschaftsweise, die nicht primär auf Profitmaximierung für wenige abzielt, sondern das Wohlergehen aller Menschen und die Einhaltung der planetaren Grenzen zum obersten Ziel macht. Und das bleibt nicht abstrakt? Nein, eben nicht. Die Papiere nennen auch konkrete Hebel. Da geht es um gemeinsame politische Kampagnen, z.B. für eine gerechtere Steuerpolitik oder für einklagbare Umweltrechte. Naja. Es geht um die Förderung alternativer Wirtschaftsformen, Stichwort Genossenschaften. Auch die ethische Ausrichtung der riesigen Kapitalanlagen von Kirchen und Gewerkschaften wird thematisiert. Interessant. Und sogar demokratische Innovationen wie Bürgerräte sollen gestärkt werden, um die Zivilgesellschaft direkter an Entscheidungen zu beteiligen. Fassen wir also kurz zusammen, was wir aus diesen Papieren mitnehmen können. Es ist diese Vision einer ungewöhnlichen, breiten gesellschaftlichen Koalition. Sie soll Motor sein für einen tiefgreifenden sozial-ökologischen Umbau und gleichzeitig als eine neue Säule eine vierte Gewalt, die Demokratie stärken. Eine kraftvolle, aber sicher auch sehr herausfordernde Idee. Absolut. Was bedeutet das jetzt alles für Sie, wenn Sie darüber nachdenken? Tja, das führt uns eigentlich zu einer zentralen Frage. Die werfen die Papiere zwar auf, aber beantworten sie vielleicht nicht abschließend. Eine Frage zur weiteren Reflexion für Sie. Können denn so unterschiedliche Organisationen, Gewerkschaften mit ihrer langen Tradition, ihrem spezifischen Fokus, Kirchen mit ihren Werten und Strukturen und oft spontanere, aktivistischere soziale Bewegungen, können die wirklich eine kohärente und durchsetzungsstarke Kraft bilden? Ob das wirklich funktioniert in der Praxis? Genau. Haben sie genug gemeinsamen Boden und die Fähigkeit, interne Differenzien zu überbrücken, um als so eine vierte Gewalt tatsächlich systemischen Wandel anzustoßen? Ein Wandel, der über, sagen wir mal, symbolische Politik hinausgeht? Das ist die große Frage, denke ich.