Herzlich willkommen zu dieser Vertiefung. Was, wenn wir uns mal auf eine ganz andere Sichtweise einlassen? Stellen Sie sich vor, Autismus und andere Formen der Neurodiversität sind keine Störungen, sondern eine Art evolutionäres Update, ein Korrektiv, vielleicht sogar angestoßen vom Planeten selbst, von Gaia, um uns als Zivilisation vor dem eigenen Kurs zu warnen. Genau diese, man muss sagen, ziemlich radikale These entfaltet sich in den Unterlagen, die Sie uns geschickt haben. Das sind Auszüge und Gedanken rund um das Projekt Gaia Autismus. Und das Material verknüpft Neurodiversität direkt mit der Gaia-Hypothese von James Lovelock und übt dabei eine fundamentale Kritik an unserer heutigen Zivilisation. Dann schauen wir uns das mal genauer an. Die zentrale Behauptung in diesen Texten ist ja, neurodivergente Perspektiven, besonders autistische Züge, könnten eine notwendige Antwort sein auf globale Krisen. Richtig. Eine Art Gegengewicht zu kurzfristigen Denken und fehlender ökologischer Weitsicht. Was genau wird da als Kernthese formuliert? Im Grunde geht es darum, Neurodiversität, also Autismus, ADHS und Ähnliches, nicht als Defizit zu sehen, sondern als natürliche und potenziell wertvolle Variation menschlicher Wahrnehmung und auch der Informationsverarbeitung. Okay, nicht als Fehler, sondern als Feature sozusagen. Genau. Und die Autoren stellen dann die kühne Verbindung zur Gaia-Hypothese her. Der Anstieg neurodivergenter Diagnosen wird als mögliche homeostatische Reaktionen interpretiert. Homeostatisch. Also ein Ausgleichsversuch? Richtig. Ein selbstregulierender Ausgleichsversuch des Planeten auf den systemischen Stress und die ökologischen Krisen, die wir verursachen. Und dafür werden sogar neurobiologische Anhaltspunkte genannt? Das klingt ja fast, ja, fast nach Science Fiction. Was steht dazu in Ihren Unterlagen? Ja, das Material führt tatsächlich spezifische neurobiologische Merkmale an. Zum Beispiel eine angeblich stärkere Vernetzung im Default-Mode-Network. Ah, das DMN, ja? Genau. Das ist ja das Netzwerk im Gehirn, das aktiv wird, wenn wir so vor uns hinträumen oder über die Zukunft nachdenken. Das soll systemisches Langzeitdenken fördern. Oder ein hyperaktiver vorderer Zingulärer Cortex, eine Hirnregion wichtig für Fehlererkennung, ethische Abwägung. Und das soll dann zu was führen? Das soll laut den Unterlagen mit einer deutlich geringeren Anfälligkeit für Bestechung korrelieren. Die Zahl 92 Prozent weniger wird da genannt. 92 Prozent. Das ist erstaunlich. Und es gibt noch mehr solcher Punkte? Genau. Der Thalamus, also unser Filter für Sinneseindrücke, wird als bei Autisten oft sensitiver beschrieben. Sensitiver im Sinne von? Die Autore interpretieren das als eine Art ökologisches Frühwarnsystem, also dass Umweltgifte viel früher wahrgenommen werden könnten. Ah, okay. Und eine geringere Aktivität der Amygdala, zuständig für Emotionen, auch Angst, Gruppenzugehörigkeit, soll die Anfälligkeit für Gruppenzwang reduzieren. Was dann unabhängiges, kritisches Denken begünstigen würde? Eben. Das ist die Argumentationslinie. Das steht natürlich im harten Kontrast dazu, wie die Gesellschaft oft mit Neurodiversität umgeht. Die Texte kritisieren ja den Begriff der Normalität ziemlich scharf. Absolut. Normalität wird in diesen Quellen als soziales Konstrukt dargestellt. Eines, das historisch oft zur Machtsicherung und Kontrolle gedient hat. Die Pathologisierung von Neurodiversität, also die Einordnung als Krankheit, wie im ICD, der WHO oder im amerikanischen DSM, wird in eine Linie gestellt mit der Verdrängung anderer Formen menschlicher Vielfalt. Also von Neandertalern bis zu indigenen Kulturen oder gar eugenischen Praktiken. Das sind die Vergleiche, die gezogen werden. Ja, ziemlich drastisch. Und diese Kritik macht auch vor modernen Therapieansätzen nicht Halt. Ich verweise hier auf Applied Behavior Analysis, ABA. Richtig, ABA wird in den Unterlagen sehr kritisch gesehen. Teils als therapeutische Gewalt oder Konversionstherapie des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Harte Worte. Ja, und es wird eine Studie zitiert von Kupferstein aus 2018, die bei 46 Prozent der Personen nach ABA-Behandlung Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung festgestellt haben will. 46 Prozent? Puh, das ist eine wirklich erschütternde Zahl, die da genannt wird. Das leuchtet ein, dass solche Erfahrungen dann zu dem führen, was als Masking beschrieben wird, diesem ständigen Verstecken der eigenen Art zu sein. Genau, das Verbergen der eigenen Züge wird als enorme psychische Belastung dargestellt. Und all das hat massive Folgen. Nämlich? Die Quellen sprechen von Arbeitslosenquoten von bis zu 90 Prozent bei qualifizierten Autistinnen und Autisten in der EU. Trotz vorhandener Helligkeiten. Das ist die harte soziale Realität, die hinter dieser Pathologisierungslogik steht, wie die Autoren argumentieren. Wenn das die Kritik ist, was stellen die Autoren dem denn als positive Vision gegenüber? Sie sprechen von einer spezifischen neurodivergenten Ethik. Ja, die Texte skizzieren eine Art autistische Ethik. Die grenzen sie von einer eher sozialkonformen, kontextabhängigen, neurotypischen Ethik ab. Und wie sieht diese autistische Ethik aus? Sie wird als stark prinzipienbasiert beschrieben, systemlogisch, wahrheitsorientiert. Und eben, da schließt sich der Kreis zum AACC, weniger korrumpierbar. Und genau darin liegt dann das Potenzial, um mit unseren komplexen Krisen wie dem Klimawandel umzugehen. Weil dieses Denken eher auf das Gesamtsystem schaut. Das ist die Kernaussage, ja. Auf langfristige Folgen, auf Wahrhaftigkeit ausgerichtet, weniger auf kurzfristige soziale Kompromisse. Eine Ethik, die stärker auf die Integrität des großen Ganzen achtet. Genau. Die Texte bringen sogar den Begriff des Homo Resonans ins Spiel, als eine mögliche evolutionäre Weiterentwicklung des Menschen. Eine, die stärker in Resonanz mit dem System Gaia tritt. Das macht die Brisanz deutlich, die in ihren Unterlagen steckt. Die Warnung ist ja kaum zu überhören. Indem wir diese Denk- und Seinsweisen als krankhaft abstempeln und auf Anpassung drängen. Das ist die Rede? Von der systematischen Deaktivierung des zivilisationischen Immunsystems oder gar von einem strukturellen Genozid an überlebenswichtigen kognitiven Ressourcen. Die Frage, die das Material ihnen also auf den Tisch legt, ist provokativ. Behandeln wir hier ein wertvolles evolutionäres Update wie einen Systemfehler? Ignorieren wir vielleicht ein Notfallprotokoll der Biosphäre? Und das ist der Gedanke, den Sie vielleicht mitnehmen können. Wie würde sich unser Umgang mit den großen Krisen unserer Zeit, Klima, soziale Spaltung verändern, wenn wir diese Neurodivergenten Denkweisen, diese Ethik der Wahrhaftigkeit und Systemtreue nicht nur irgendwie dulden, sondern aktiv als wertvolle Ressource begreifen und einbinden würden? Genau. Was, wenn der Weg aus der Krise nicht in noch mehr Anpassung an das Bestehende liegt, sondern im bewussten Schritt hin zu einer neuen Resonanz mit dem Planeten und vielleicht auch untereinander? Bis zur nächsten Vertiefung.